„Als Lerntherapeutin in der Schule – was machst du da eigentlich genau?“

Diese Frage höre ich ziemlich oft – nicht nur von Eltern oder Lehrkräften, sondern auch von Kollegen aus der Lerntherapie. Viele haben ein Bild im Kopf, das irgendwo zwischen Nachhilfe und Förderunterricht schwankt. Aber meine Tätigkeit als Lerntherapeutin in der Schule ist viel mehr als das.

In diesem Blogbeitrag nehme ich dich mit durch meinen Vormittag. Du erfährst, wie ich Gruppen fördere, mich mit Lehrkräften austausche, was mich manchmal herausfordert und was mich immer wieder motiviert.
Denn für mich ist klar: Lerntherapie gehört in die Schule – und zwar nicht nur als „Notlösung“, sondern als präventives Angebot an allen Schulen.

Ich habe hier mal einen Tag beispielhaft herausgepickt, dabei sind meine Schwerpunkte an den Schulen jeweils ganz unterschiedlich, inhaltlich, organisatorisch und auch was den Raum anbelangt.

7.30 Uhr – Ankunft in der Schule

Ich bin in der Regel 20-30 Minuten vor Unterrichtsbeginn in der Schule. In Ruhe ankommen, mich mit Kollegen austauschen, meine Sachen auspacken, die Unterlagen richten und gedanklich die Förderstunden durchgehen, das gehört zu meiner Routine.

Der erste Weg führt entweder in meinen Förderraum oder ins Lehrerzimmer. Welche Reihenfolge ich wähle, hängt von der Schule ab und den räumlichen Gegebenheiten. Heute gehe ich zuerst in den Förderraum, packe ich meine Sachen aus und lege mir alles für die verschiedenen Förderstunden zurecht.

7.45 Uhr – Überblick, Lehrerzimmer, schwarzes Brett

Danach führt mich mein Weg direkt ins Lehrerzimmer, dort werfe ich erstmal einen Blick aufs schwarze Brett: Wer von meinen Schüler ist krank? Wer von den Kollegen ist krank oder möglicherweise bei einem Ausflug?  Gibt es Vertretungen? Manchmal tausch ich mich noch kurz mit einigen Lehrkräften aus. An einigen Schulen habe ich ein eigenes Fach, dort schau ich morgens auch rein.

Über die kleine Weihnachtsüberraschung habe ich mich sehr gefreut

Je länger ich an einer Schule bin, desto reibungsloser läuft das. Pädagogische Tage, Ausflüge oder Schulprojekte bekomme ich frühzeitig mit und kann frühzeitig planen.

Wer ist heute alles da? Ein kurzer Blick ins Lehrerzimmer

Auch beim Kopierer trifft man die ersten Kollegen und kann so noch kurz ins Gespräch kommen.

8:00 Uhr – Erste Förderstunde: Mathe mit der Kleingruppe

Heute habe ich in der ersten Stunde vier Zweitklässler in der Matheförderung. Da die 4 schon länger zu mir kommen, kommen sie direkt in meinen Förderraum. Manchmal hole ich Schüler auch direkt vom Klassenzimmer ab.

Ich beginne mit einer bewährten Routine: der Schätzaufgabe der Woche. Das finde alle so toll und können so ein besseres Mengenverständnis entwickeln und außerdem das Bündeln und Entbündeln vertiefen.

Schätzaufgabe der Woche- ein beliebtes Ritual zu Beginn der Förderung

Heute geht es danach weiter mit der Zahl des Tages. Jeder Schüler würfelt seine eigene Zahl, so dass jeder selbständig arbeiten kann, ohne beim Nachbarn abzugucken, denn der hat ja eine andere Zahl:-)

Die Zahl des Tages

Wenn ich heterogene Gruppen habe, wähle ich bewusst Aufgabenformate, die sich gut vom Zahlenraum differenzieren lassen. Während ein Schüler schon im Zahlenraum 100 arbeitet, kann der andere im Zahlenraum 20 arbeiten, hat aber eine ähnliche Aufgabe, dies ermöglicht im Anschluss  einen gemeinsamen Austausch.

Die gewürfelte Zahl wird in Zehner und Einer zerlegt, im Hunderterpunktefeld markiert und das Weiterzählen in Schritten vertieft.  Gerade die Zehnerübergänge fallen den Kindern oft schwer (immer 2 mehr von deiner Zahl, 63, 65, 67, 69….).

Mengen- und Zahlenverständnis mit dem Rechenkästchen

Material zur visuellen Unterstützung von Mengen spielt bei mir eine große Rolle.. Ich arbeite gerne mit dem Rechenkästchen und dem Dienes Material. Schüler können so Zahlen und Mengen leichter be-greifen.

Mit Würfeln spielen wir ein Abschlussspiel. Da gehört immer auch ein wenig Glück dazu, so hat jeder die Chance einmal zu gewinnen. Hier gilt es verschiedene Würfelaugen zu einer 10 zusammenzulegen. Das können 2 Würfel oder auch mehr Würfel sein (z.B. 3+3+3+1). Wir üben mit diesem Spiel die Zahlverlegung, aber auch das Verständnis für Zehner und Einer. Zwischendrin höre ich einen Schüler, der sagt: „Hey, Mathe kann ja Spaß machen“. Er gewinnt zwar nicht diese Runde, ist aber total begeistert vom Spiel.

Immer 10 – Zahlzerlegung spielerisch vertiefen
Immer 10 – egal, ob 2, 3 oder auch 4 Würfel

Zum Schluss stelle ich noch die Frage: „Was ist deine Lieblingszahl?“ – das klingt simpel, schafft aber sofort persönlichen Bezug. Die Kinder erzählen mir von Geburtstagen, Autokennzeichen und Glückszahlen – und merken, dass Zahlen auch einen persönlichen Bezug haben können.

Für mich ist entscheidend, dass ich mich vom aktuellen Schulstoff lösen kann. Ich konzentriere mich auf die mathematischen Grundlagen, die oft fehlen – und genau dort setze ich an.

8.45 Uhr – 2. Stunde: Lerntherapeutische Förderung und Lernmotivation

In der zweiten Stunde habe ich Schüler aus der Parallelklasse– auch hier steht Matheförderung auf dem Plan. Bevor ich starte, werfe ich einen Blick in meine Notizen vom letzten Mal: Welche Übungen haben gut funktioniert? Welche Fragen blieben offen? Welche kleinen Beobachtungen möchte ich weiterverfolgen?

Denn oft sind es die kleinen Dinge, die den Unterschied machen: Wie ein Kind seine Aufgaben strukturiert, welche Wörter beim Erklären es benutzt oder wie schnell es abschweift. Ich versuche, nicht nur auf Lerninhalte zu achten, sondern auch auf das Drumherum:
Wie wird zuhause gelernt? Gibt es besondere Hobbys, an die ich anknüpfen kann? Wie steht es um die Konzentration?

An Schulen, an denen ich schon länger arbeite, kommen die Kinder inzwischen ganz selbstverständlich zu mir in den Förderraum. An anderen Schulen hole ich sie direkt von der Klasse ab.

9:30 Uhr – Pause mit Notizen, Planung und Lehrerzimmer-Gesprächen

Wenn die erste Pause ansteht, entscheide ich spontan, wie ich sie nutze:
Manchmal bleibe ich im Förderraum, notiere mir Beobachtungen, trinke einen Tee und gehe in Gedanken kurz die nächste Stunde durch. Sehr häufig findet man mich im Lehrerzimmer – denn dort warten oft schon Kollegen mit Fragen:

  • Wie kann ich den Nachteilsausgleich im Unterricht umsetzen? Wir diskutieren dann gemeinsam Möglichkeiten
  • Wie sieht meine Einschätzung zu einem bestimmten Kind aus? Habe ich zeitnah Kapazität?
  • Können wir ein gemeinsames Elterngespräch vorbereiten? Oder vielleicht können wir es auch gemeinsam führen.

Ich schätze diesen Austausch sehr – er zeigt mir, dass ich ins System eingebunden bin. Trotzdem achte ich auch auf mich: Eine echte Pause darf es auch für mich geben.

kurze Pause, Notizen machen, Tee trinken oder im Lehrerzimmer sich mit Kollegen austauschen

9:55 Uhr – 3. Stunde: Leseförderung mit den 20 häufigsten Wörtern

Heute üben wir die 20 häufigsten Wörter mit einem Lese-Spiel ähnlich wie Dobble. Ich frage die Schüler, ob sie wissen, welches das häufigste Wort im Deutschen ist.

Die häufigen Wörter spielen in der Lese- und Rechtschreibförderung eine große Rolle, denn die 100 häufigsten Wörter decken 50% der Wörter eines Textes ab.  Die Schüler sind alle hoch motiviert. Immer wieder notiere ich mir währenddessen kurz meine Beobachtungen: Sind alle Buchstaben-Laut-Verbindungen abgesichert, klappt die Synthese. Wie ist es mit der Konzentration? All das ist wichtig, um mit der Lehrkraft und den Eltern im gemeinsamen Gespräch nach individuellen Lösungen für die Förderung zu schauen.

spielerisches Üben der 20 häufigsten Wörter

11:25 Uhr – 4. Stunde Rechtschreibförderung mit Story Cubes 

Ein Schüler ist heute krank, so dass ich heute nur eine 2er Gruppe in der Förderung habe, beides Drittklässler. Ein Schüler hat die Diagnose isolierte Rechtschreibstörung. Eine Diagnose ist aber keine Voraussetzung für meine Förderung an der Schule.

Heute gehen wir Wörter mit dem langen i:/ durch, denn das schreibt man in der Regel mit ie, wie z.B. sieben, Wiese. hier, sie (höre ich den Langvokal /i:/: ist zu 74 % die Basisschreibung <ie>).

häufige Wörter mit dem Basisgraphem ie

Ich liebe ja Story Cubes und die Schüler auch:-) Einmal gewürfelt und schon sprudeln die Ideen und es entstehen kleine Geschichten. Erst mündlich, dann wird geschrieben.  Im Anschluss darf jeder seine Geschichte vorlesen. Das laute Vorlesen hilft den Schülern auch nochmal genau das Geschriebene zu überprüfen und zu schauen, ob Wörter oder Buchstaben vergessen wurden. Ich bin immer wieder begeistert, wie kreativ meine Schüler sein können, wenn sie über das schreiben dürfen, was ihnen spontan einfällt.

Danach gehen wir den Text gemeinsam durch. Beide haben schon einige Selbstkorrekturstrategien gelernt, die anzuwenden braucht aber Zeit.

Story Cubes für kreative Schreibanlässe

12:00 Uhr – 5. Stunde Elterngespräch

In der Regel endet mein Tag nach der 4. Stunde, manchmal stehen aber noch Lehrergespräche an oder wie heute ein gemeinsames Elterngespräch. Für alle Beteiligten haben diese gemeinsame Gespräche nur Vorteile. Wir bringen so die Expertise aus dem Unterricht, der Förderung und dem Lernen daheim zusammen und können so gemeinsam viel besser Ideen zur weiteren Förderung besprechen.

Fazit: Jeder Tag ist anders – und genau das liebe ich daran

Der Vormittag, den ich hier beschrieben habe, ist ein Beispiel – aber kein festes Schema. Je nachdem, an welcher Schule ich bin, sieht mein Tag als Lerntherapeutin in einer Schule ganz unterschiedlich aus. Ungeplantes gehört dazu – aber je länger ich vor Ort bin, desto besser spielt sich alles ein.

Ich bin nicht „die Externe“, sondern Teil des Systems. Ich arbeite fachlich fundiert, flexibel und mit viel Herz. Und ich weiß, warum ich das mache: Weil ich glaube, dass Lerntherapie in der Schule nicht nur Defizite ausgleichen kann, sondern echte Potenziale entfaltet – wenn sie langfristig geplant werden kann und stabile Finanzierung hat.

Meine Vision: Lerntherapie als fester Bestandteil jeder Schule

Bis 2045 wünsche ich mir, dass an jeder Schule ein Lerntherapeut oder eine Lerntherapeutin arbeitet. Nicht als Luxus, sondern als selbstverständlicher Teil des Systems.  Mit dem Startchancenprogramm eröffnen sich neue Wege – und Lerntherapie kann dabei eine wichtige Rolle spielen.

In meinem Gruppenprogramm „Startklar als Lerntherapeut an der Schule“ unterstütze ich dich Schritt für Schritt: von der Finanzierung bis zur gelungenen Kooperation im Schulalltag.

👉 Hier kannst du mehr erfahren 

Bring Lerntherapie in die Schule
Lerntherapie in Schule – jetzt durchstarten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert