Fingerrechnen? Ist es noch okay, wenn mein Kind mit den Fingern rechnet? Es ist doch schon in der 2. Klasse oder älter ist. Soll ich es meinem Kind besser verbieten? Oder gibt es Möglichkeiten, die Finger sinnvoll zu nutzen, um mathematische Zusammenhänge zu begreifen? Immer wieder berichten mir Eltern zwei ganz unterschiedliche Sichtweisen, wenn es darum geht, die Finger beim Rechnen zu nutzen. Unser Lehrer hat gesagt:

„Es ist okay, wenn ihr Kind noch seine Finger nutzt“ oder

„Mit den Fingern rechnen ist verboten, ihr Kind muss jetzt endlich richtig rechnen“

Was ist nun richtig? Ist dieses „Entweder oder“ Denken richtig? Gibt es nicht auch Bereiche dazwischen? Wie können Eltern herausfinden, ob das Fingerzählen oder mit den Fingern rechnen noch im Rahmen ist? Hat das Kind womöglich noch kein Mengenverständnis aufgebaut? Oder kann ich mich entspannt zurücklehnen und der Rest kommt beim Kind von alleine?

Zählendes Rechnen hat seine Grenzen. Aber Zählen ist eine wichtige Grundlage fürs Rechnen.

Zählen ist nicht nur in Klasse 1 wichtig, es begleitet einen durch die ganze Grundschulzeit, denn bei jeder Zahlenraumerweiterung werden Vorgänger und Nachfolger erarbeitet und in Schritten vorwärts und rückwärts gezählt. Durch das sichere Zählen in Schritten  (in 2er/5er oder 10er Schritten) wird nicht nur der Zahlenraum besser verstanden, das Kind kann auch ein besseres Verständnis für das Stellenwertsystem entwickeln. Aber zählendes Rechnen hat eben auch seine Grenzen.

Zählen ist nicht gleich Zählen

Was bedeutet es, wenn ein Kind die Finger zum Rechnen nutzt? Zählen ist nicht gleich Zählen, es gibt einen Unterschied zwischen dem dynamischen und statischem Fingerzählen.

Beim dynamischen Zählen nutzt das Kind die Finger nacheinander einzeln, klappt jeden Finger hoch um die erste Zahl darzustellen und klappt weitere Finger hoch für die zweite Zahl, die addiert wird. Diese Vorgehensweise ist sehr fehleranfällig und kostet Zeit. Manchmal vergisst das Kind welche Zahl es schon mit den Fingern dargestellt hat und kommt dann durcheinander. Das dynamische Zählen verdeutlicht, dass das Kind Zahlen als feste Abfolge sieht und nicht als Menge.

Beim statischen Zählen hingegen werden für die erste Zahl die Fingerbilder genutzt, es klappt z.B. sofort 4 Finger hoch und nimmt dann z.B. nochmal 2 dazu und hat dann die Aufgabe 4+2 gelöst. Dieses Kind kann zur Zahl 4 die Menge 4, also 4 Finger zuordnen. Es nimmt die Finger noch als visuelle Unterstützung, zählt aber nicht mehr jeden einzelnen Finger von vorne ab.

Der statische Gebrauch ist z.B. sinnvoll für die Zehnerzerlegung. Ich stelle mit den Fingern die Zahl 6 dar und sehe auf einen Blick, dass noch 4 bis zur 10 fehlen.  Auch die Kraft der 5 wird mittels der Finger gut dargestellt. Mittelfristig stößt man mit seinen Fingern jedoch an die Grenzen, wenn man sich im höheren Zahlenraum bewegt.

Lass dein Kind die Mengen (z.B. die 3) unterschiedlich darstellen

Die Menge 3 unterschiedlich darstellen

Zeig mir mal 3 Finger. Fällt dies deinem Kind leicht oder klappt es Finger für Finger nach oben? Frag konkret nach, welche Finger sind ausgestreckt, reicht eine Hand oder brauche ich dafür 2 Hände? Gibt es eine andere Möglichkeit die Menge 3 an den Fingern zu zeigen?  Wie viele Finger fehlen noch bis zur 5? Wenn diese Frage deinem Kind schwerfällt, dann frag es, wie viele der Finger sind denn nicht ausgestreckt? Das aktive Entdecken und Sprechen darüber hilft deinem Kind, die Fingerbilder besser zu verinnerlichen und Zahlzusammenhänge besser zu verstehen. Wenn es mit der 3 klappt, versuche es mit der 4 und der 5.

Mit den Fingern rechnen – mach das nicht

Meine Empfehlung: Beobachte dein Kind genau, zählt es immer wieder von vorne seine Finger ab (z.B. 5 Finger an seiner Hand) oder zählt es ab einer bestimmten Zahl weiter. Erkennt es Zusammenhänge und weiß, dass 7 Finger 2 mehr sind als 5 Finger.

Es gibt daher keine pauschale Antwort zur Nutzung der Finger beim Rechnen. Denn je nach Kind werden die Finger ganz unterschiedlich genutzt. Aber ein Verbot ist meiner Meinung nach überhaupt keine Lösung. Im Gegenteil, sobald ich die Finger verbiete und dem Kind keine anderen „Hilfsmittel“ oder Strategien anbiete, ist ein Verbot kontraproduktiv. Viele Kinder zählen dann heimlich, unterm Tisch, wippen mit den Füßen oder nicken ganz vorsichtig mit dem Kopf. Ein Verbot ist erstmal ein Schock, das Kind fühlt sich hilflos und zählt dann weiter, ohne, dass es Eltern oder Lehrer merken. Schauen wir uns doch lieber an, warum das Kind so rechnet und ob es mathematische Zusammenhänge verstanden hat. Dann  kann ich auch Lösungen anbieten und die Finger durch sinnvolle Strategien und durch ein Verständnis für Zahlen und Mengen ablösen.

Nachteile vom zählenden Rechnen – mit den Fingern abzählen

  1.  Oft wird in Einer-Schritten gezählt und damit werden Zahlen nicht zu größeren Einheiten zusammengefasst (z.B. Kraft der 5 wird nicht erkannt)
  2.  Zahlen werden nicht als Menge erfasst, sondern als Abfolge einer Reihe — das ist insbesondere problematisch, weil   Zahlzusammenhänge nicht erkannt werden und das Kind somit nicht Zahlen in Beziehungen zueinander sieht (5 ist eins mehr als 4).
  3.  Das reine Zählen ist extrem fehleranfällig und kostet viel Zeit

Übungstipps für daheim

  •  Ganz wichtig: Verbiete deinem Kind nicht, die Finger zu nutzen – erst müssen Alternativen gesucht werden, um vom reinen zählenden Fingerrechnen wegzukommen – nutze aktiv Fingerbilder und die Kraft der 5. Gerade die Zehnerzerlegung kann hier sehr gut geübt werden, dann kann man zu Mengenbildern übergehen oder auch die Fingerbilder mit Würfelbildern verknüpfen
  • Baue ganz gezielt die Zählkompetenzen deines Kindes aus (Zählen in 2er, 5er und 10er-Schritten). Wie erfährst du im Blogbeitrag Zählen
  •  Aufbau der Teil-Ganzes-Beziehungen: Zahlen sind immer im Zusammenhang zueinander (relational). Sprich aktiv über Zahlen und Mengen, über mehr und weniger und nutze Materialien aus dem Alltag, um das Mengenverständnis zu fördern.

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