Wie kann eine multiprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften und Lerntherapeuten gelingen?

Du bist hier richtig, wenn du als Lehrkraft Schüler mit LRS oder Rechenschwäche in deiner Klasse hast und/oder dein Schüler in einer lerntherapeutischen Förderung ist.

Oder du bist Lerntherapeut und stehst womöglich erst am Anfang deiner Tätigkeit und suchst nach Unterstützung für dein erstes Lehrergespräch?

Hier bekommst du Tipps für den Austausch zwischen Lehrkräften und Lerntherapeuten. Denn auf beiden Seiten gibt es manchmal Unsicherheiten und Fragen, auf die ich hier näher eingehen möchte. Als Lerntherapeutin und Lehrkraft an einer Grundschule kenne ich beide Seiten und durch meine Beratungen weiß ich, wie wertschätzend solch ein Austausch für beide Seiten ist.

Vielleicht kennst du folgende Mythen über Lehrkräfte

  • Lehrer haben nie Zeit?
  • Lehrer wissen doch eh alles besser?
  • Nehmen keine Hilfe von extern an?

Vielleicht denken aber Lehrkräfte aber auch über Externe wie Lerntherapeuten

  • Da kommt jetzt jemand von außen und
  • möchte mir erklären, wie ich meinen Unterricht gestalten soll
  • welchen fachlichen Hintergrund haben Lerntherapeuten überhaupt?

Ich kann dich so gut verstehen. Mir ging es anfangs als Lerntherapeut ähnlich, denn das Berufsbild Lerntherapeut ist noch relativ unbekannt. Aber die gute Nachricht: Ein Austausch ist für beide Seiten gewinnbringend und wertschätzend und so wertvoll, wenn es darum geht, Kindern mit einer LRS oder Rechenschwäche, die bestmögliche Unterstützung zukommen zu lassen.

Eine Lerntherapie ist immer ganzheitlich und je enger sich Lehrkraft und Lerntherapeut austauschen, desto besser gelingt die Förderung. Eine offene Kommunikation, gegenseitiges Vertrauen und Wertschätzung sind dabei wichtige Faktoren.

Kooperation Lehrer – Lerntherapeut

In diesem Artikel gebe ich dir Tipps, wie du entspannt auf das Gespräch vorbereiten kannst und worauf du beim Gespräch achten solltest.

#1 Vorbereitung ist wichtig

Bereite dich vor. Klingt banal, aber du kannst dir bereits im Vorfeld schon konkrete Fragen notieren. Damit werden auch kurze Gespräche sehr effektiv, zumal oft die Zeit knapp ist.

Für Lerntherapeuten: Mein Tipp arbeite zuerst einige Stunden mit dem Schüler und führe mit den Eltern ein Gespräch, bevor du das erste Lehrergespräch führst. Zeugnisse, alte Arbeiten und Unterrichtsmaterialien helfen dir, einen Eindruck über den Lernstand des Schülers zu erlangen.  Notiere dir im Vorfeld konkrete Fragen: Darf der Schüler Visualisierungshilfen im Unterricht nutzen oder bekommt er bei Arbeiten mehr Zeit? Wie groß ist die Klasse, wo sitzt der Schüler? Was ist seine größte Herausforderung?

Für Lehrkräfte: Notiere dir wichtige Fragen. Woran wird in der Lerntherapie gearbeitet, ist ein Förderplan erstellt worden, wo gibt es Schnittstellen zwischen der schulischen und der lerntherapeutischen Förderung? Wie arbeitet der Schüler im 1:1 Setting, was läuft besonders gut, welche Dinge sind dem Lerntherapeuten aufgefallen?

#2 Schwerpunkt des Gesprächs – Fokus Schüler

Beim Gespräch geht es darum, den Schüler zu unterstützen, das ist das gemeinsame Ziel und dieser Fokus ist wichtig.

Wichtig ist, dass Lerntherapeut und Lehrkraft durch multiprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Lehrkraft und Lehrtherapeut der Schüler bestmöglich unterstützt und gefördert wird. Hierbei sollten auch konkrete Absprachen getroffen werden, wie der Austausch in Zukunft erfolgen soll – wie oft, per E-Mail oder lieber telefonisch. Dabei können auch kürzere Gespräche sehr wertvoll sein.

#3 Wertschätzende Haltung

Beim Gespräch selbst ist es wichtig, eine offene und wertschätzende Haltung zu zeigen. Der Lerntherapeut sollte sich Zeit nehmen, um die Perspektive der Lehrkraft zu verstehen und auf seine Fragen und Anmerkungen eingehen, aber auch umgekehrt. Denn jeder ist Experte auf seinem Gebiet, der Lehrer kennt den Schüler aus dem Unterricht in der Klasse und der Lehrtherapeut aus dem engen Austausch 1:1 in der Lerntherapie.

Lerntherapeut: Es ist ggf. hilfreich, dem Lehrer zu erklären, was genau eine Lerntherapie ist, falls hier noch keine Erfahrungen vorliegen und wie eine Förderung konkret aussieht.

Lehrkraft: Bringe Offenheit mit, denn der Lerntherapeut sieht den Schüler 1:1 in der Förderung und ggf. fallen ihm Dinge auf, die im Klassenverband sich anders äußern und somit können diese Erfahrungen für den Austausch hilfreich seien.

#4 Austausch über Fördermaterialien

Auch ein Austausch über eine individuelle Unterstützung im Unterricht ist möglich. Dies kann beispielsweise durch konkrete Hinweise auf geeignete Lernmaterialien, Methoden oder Fördermaßnahmen geschehen. Denn oft sind Schüler mit einer LRS und Rechenschwäche weit vom Schulstoff entfernt (in einem spezifischen Fach) und es gilt im Austausch herauszufinden, was helfen kann, den Schüler zu motivieren und sein Wissen in diesem Fach zu aufzubauen und zu vertiefen.

#5 Austausch zum Nachteilsausgleich

Wichtig ist es auch, gemeinsam über schulische Unterstützungsmöglichkeiten zu sprechen. Wie kann ein Nachteilsausgleich gestaltet werden. Was hilft genau diesem Schüler? Wie kann die Lehrkraft einen Nachteilsausgleich im Klassenverband thematisieren, dass ein Schüler z.B. mehr Zeit oder Hilfsmaterial erhält oder am Tablet schreiben darf.

Lerntherapeuten fördern tagtäglich Schüler mit Lernschwierigkeiten und haben einen Einblick in verschiedenen Schulen und können gezielt Tipps geben. Die Lehrkraft kann wiederum ihre Ideen im Gespräch schildern und hat den Blick auf den Schüler im Klassenverband. Durch die multiprofessionelle Zusammenarbeit tragen Lerntherapeut und Lehrkraft gemeinsam Ideen für einen wirksamen und individuellen Nachteilsausgleich zusammen, der dann in der Klassenkonferenz verankert werden kann.

Vorteile für Lerntherapeuten

Eine multiprofessionelle Zusammenarbeit mit der Schule und der Lehrkraft bringt nicht nur Vorteile für den Schüler, sondern auch für den Lerntherapeuten. Hier sind 5 Vorteile, die Lerntherapeuten haben, wenn sie in den Austausch mit der Schule und Lehrkräften treten:

  • Besseres Verständnis der Bedürfnisse des Schülers: Durch die Zusammenarbeit mit der Schule und der Lehrkraft kannst du als Lerntherapeut mehr über den Schüler und seine spezifischen Bedürfnisse erfahren. Dies kann dir helfen, die Förderung individuell an die Herausforderungen des Schülers anzupassen
  • Du kannst dich fachlich weiterentwickeln, denn du bekommst einen Einblick in die schulischen Fördermöglichkeiten, aber möglicherweise auch Grenzen
  • Mit jedem Gespräch wirst du gelassener und diese Erfahrungen helfen dir auch in der Förderung deiner Schüler
  • Stärkung des Berufsbildes: Eine enge Zusammenarbeit mit der Schule und Lehrkräften kann auch dazu beitragen, dass das Berufsbild der Lerntherapeuten gestärkt wird. Durch diese Kooperation kann der Wert der Lerntherapie als wichtige Unterstützung für Schüler mit Lernschwierigkeiten hervorgehoben werden.
  • Deine Fachexpertise wird bekannter und du baust dir ein wichtiges Netzwerk auf

Vorteile für Lehrkräfte

  • Bessere Einschätzung der Lernbedürfnisse des Schülers: Durch den Austausch mit dem Lerntherapeuten bekommst du Anregungen, wie du deinen Schüler im Unterricht gezielter unterstützen kannst und welche spezifischen Lernbedürfnisse er hat
  • Förderung einer positiven Einstellung zum Lernen: Im Gespräch erhältst du Tipps, wie du deinen Schüler motivieren, aber auch emotional stärken kannst
  • Austausch zum Thema Nachteilsausgleich/Notenschutz mit dem Ziel eines wirksamen und individuellen Nachteilsausgleichs
  • Fachliche Entlastung: Neben dem Nachteilsausgleich könnt ihr auch gemeinsam einen Förderplan erarbeiten

Finanzierung der Kooperation zwischen Lehrkraft und Lerntherapeut

Kurz nach Veröffentlichung meines Beitrages kam die erste Frage von einer meiner Leser rein. Macht der Lehrtherapeut alle Beratungen umsonst? Wichtige Frage, denn, wenn eine Lerntherapie privat oder übers Jugendamt finanziert wird, dann ist der Austausch mit der Lehrkraft manchmal in der Monatspauschale inkludiert, manchmal wird er extra berechnet. Auch Elterngespräche sind immer auch Bestandteil jeder Lerntherapie, denn Lerntherapie ist immer ganzheitlich.

Wenn sich Lehrkräfte direkt an Lerntherapeuten zu Fragen rund um LRS oder Rechenschwäche wenden ohne, dass ein Schüler begleitet wird, dann ist das auch (meist) kostenpflichtig. Auf kurze Fragen gehe ich z.B. immer auch kostenlos in meiner Facebook-Gruppe ein. Für längere und ganz individuelle Fragen gibt es meine Beratungsgespräche für Pädagogen.

 

Insgesamt ist eine Kooperation mit der Lehrkraft ein wichtiger Bestandteil einer erfolgreichen Lerntherapie. Eine offene und wertschätzende Haltung, eine gute Vorbereitung und die Vermittlung der Wirksamkeit der Lerntherapie sind dabei wichtige Faktoren. Eine multiprofessionelle Zusammenarbeit hilft beim Perspektivwechsel und bereichert sowohl Lehrkräfte als auch Lerntherapeuten.

Was sind deine Erfahrungen beim Austausch mit Lehrkräften oder Lerntherapeuten? Kommentiere doch gerne unter diesem Blogbeitrag und lass uns daran teilhaben.

 

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